Nach ersten Berührungspunkten meiner Eltern mit Irland in Dublin, ging es nach kurzer Zeit zurück in unser Zuhause an die Westküste, wo sie dann so richtig auf Tuchfühlung mit dem Land unserer Träume gehen konnten. Sie hatten zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, was noch alles auf sie warten und wie viel besser es noch werden würde! Unser Versprechen, dass der Rest Irlands noch tausendmal schöner ist als Dublin, lösten wir nach und nach ein, indem wir ihnen jeden Tag ein bisschen mehr von der wunderschönen Landschaft und Kultur Irlands zeigten.
Achtung: Dieser Beitrag ist der mit Abstand längste und absolut nichts für Lesefaule!

Unser Zuhause an der Westküste

Als wir ziemlich spät am Abend zu Hause ankamen, zeigte ich natürlich meinen Eltern trotz später Stunde erstmal unser Cottage. Vollkommen begeistert und entzückt vom „Hotel Tochter“, fläzten sie sich noch kurz mit uns vor den Kamin und ließen erstmal alles sacken.

Am Tag darauf, ließen wir es erstmal deutlich ruhiger angehen, schließlich sind meine Eltern auch nicht mehr die Jüngsten und können nicht jeden Tag auf Achse sein. 😉 Wir zeigten ihnen lediglich den Strand in Lahinch (leider bei schlechtem Wetter) und machten einen schönen Spaziergang in der Abendsonne in unserer Nachbarschaft, bei der wir auf die verschiedensten Tiere trafen.

Am nächsten Tag erkundeten wir erstmal die nähere Umgebung, darunter auch einen abgelegenen, idyllischen See, an dem wir selbst noch nicht waren. Dort angekommen wurden wir von zwei weißen Pferden und anhänglichen Hunden begrüßt, die uns schwanzwedelnd nur zu gern ansprangen.

Weiter ging es in den nahegelegenen Burren zu einer der größten fast 500 alten Ringfestungen hier, dem Caherconnell Fort. Es wurde im 10. Jahrhundert für eine hochrangige, möglicherweise königliche Familie, den Herren der Region, erbaut. In seiner Blütezeit war es eine gewaltige Festungsanlage, die noch bis ins 17. Jahrhundert in Gebrauch war. Jede Besiedlungsphase hinterließ neue Häuser und zahlreiche Artefakte. Die aus großen Steinblöcken bestehende Mauer ist ca. 12 Meter dick und hat einen Durchmesser von 145 Metern. Aufgrund eines alten Holunderstrauchs, der an den Trümmern wächst, wurde das Ringfort wie viele weitere auch als Feenfestung bezeichnet. Der Volksglaube der frühen Neuzeit verband mit Holundersträuchern ebenso wie mit Cashels übernatürliche Geschichten, welche dazu führten, dass viele Menschen Angst hatten, solche Orte zu betreten und diese somit bis heute erhalten blieben.

Nur ein paar hundert Meter weiter besichtigten wir anschließend das bedeutendste und gewaltigste Megalithgrab aus der Jungsteinzeit, das Irland zu bieten hat – das 5000 Jahre alte Poulnabrone Dolmen. Auf dem Weg dorthin hatte sich ein sympathischer, irischer Schmuckverkäufer, der sehr vieler Sprachen mächtig war, platziert. Da war für meine Mutter natürlich kein Vorbeikommen und sie ließ sich ein Armband mit ihrem Namen in Ogham-Runen, der uralten keltischen Sprache, anfertigen.

Doch das war es noch nicht vom Burren – als nächstes gönnten wir uns eine Mittagspause im Café der Burren Parfümerie, eine wahrlich grüne Oase inmitten der steinernen Landschaft. Dort schauten wir uns auch den vor Kräutern und Heilpflanzen nur so wimmelnden Hexengarten (wie wir ihn nennen) an. Es ist kaum zu glauben, was sich inmitten der kargen, steinernen Landschaft doch für kleine grüne paradiesische Orte verstecken!

Auf dem Heimweg hielten wir noch an der alten Kirchenruine und dem Friedhof von Kilnaboy – diese historische Stätte hat einen der schönsten Ausblicke in ganz Irland – sowie an einem kleinen Wasserfall, der in den Inchiquin Lough mündet. Von hier oben hat man wiederum einen fantastischen Ausblick auf den See und die szenische, grüne Umgebung.

Als wenn das noch nicht genug gewesen wäre, ließen wir den Tag noch bei einem gemütlichen Grillabend samt Essen auf unserer grünen Wiese im Sonnenschein ausklingen. Ein perfekter Tag! 🙂

Am nächsten Tag versuchten wir es nochmal mit Lahinch. Diesmal war das Wetter deutlich besser und wir besuchten den Strand circa 1,5 Stunden vor Sonnenuntergang, sodass die Atmosphäre so magisch wirkte, wie wir sie normalerweise kennen. Die Sonnenstrahlen brachen mal wieder so atemberaubend durch die Wolkendecke, dass man es einfach nur als heiliges Licht bezeichnen kann.

Der Strand von Lahinch bei Sonnenuntergang | Lahinch Beach at sunset

Diesen Anblick galt es anschließend an den nahegelegenen Cliffs of Moher, die meine Eltern nun zum ersten Mal zu Gesicht bekamen, zu toppen. Hier verweilten wir noch so lange, bis die Sonne den Horizont küsste. Wir betrachteten die Klippen von verschiedenen Winkeln und Falk ließ seine Drohne im Sonnenuntergang – trotz Flugverbot – fliegen, während wir fleißig in die Kamera winkten. 😉 Dabei sind wunderschöne Aufnahmen entstanden, die wir euch nicht vorenthalten möchten.

Sobald die blaue Stunde geschlagen hatte, machten wir uns auf den Rückweg, auf dem wir noch an der St. Brigids Well hielten. Diese sonderbare heilige Quelle hatten wir bereits Falks Eltern gezeigt und im Blogbeitrag „Unser 1. Besuch“ genauer vorgestellt. Auch mein Vater kostete mutig vom angeblich heilenden Wasser der Quelle, während meine Mutter die Inschriften, die Besucher auf den Steinen hinterlassen hatten, inspizierte.

Der nächste Tag begann weniger friedlich – Falk war plötzlich krank und unser Auto musste erstmals in die Werkstatt. Also fuhr ich allein mit meinen Eltern nach Ennis, wo wir erst das Auto abgaben und uns dann in die Stadt bringen ließen. In vier, fünf Stunden sollten wir es wieder abholen können.
Erstmal ließen wir uns ein Frühstück in einem niedlichen Café schmecken. Frisch gestärkt machten wir anschließend einen ausgiebigen Stadtbummel, auf dem wir uns die Sehenswürdigkeiten von Ennis ansahen und Antiquitäten-Läden durchforsteten.

Außerdem war in dieser Woche gerade das alljährlich zu Bealtaine stattfindende Stadtfest von Ennis, das Fleadh Nua, zugange. Es war viel los auf den Straßen und die mittelalterliche Altstadt wirkte umso lebendiger. Straßenmusiker spielten an einigen Ecken mit Akkordeon oder Gitarre irische Musik. Ennis ist ja auch der Hotspot Irlands, was traditionelle irische Musik angeht. Ich kann mich noch erinnern, wie eine große Schulklasse an der O’Connell-Säule inmitten der Altstadt feiernd und jubelnd für ein Gruppenfoto posierte. Alle schienen heute schulfrei zu haben oder sowas wie eine Klingelfahrt zu machen.

Nach ein paar Stunden des Stadtbummels und einem anschließenden Mittagessen waren wir bereit für den Anruf, dass wir unser Auto nun abholen können. Wir warteten 1 Stunde, wir warteten 2 Stunden, doch immer noch kein Anruf. Nach einer weiteren Stunde riefen wir wieder an und wieder verzögerte sich die Abholung. Am Ende mussten wir bis Feierabend, also bis 18 Uhr warten, bis uns wieder jemand abholte und zurück zur Werkstatt fuhr. Wir verbrachten also fast 9 Stunden in Ennis und das Auto war nun alles andere als ganz, aber das ist eine laaaaaaange andere Geschichte…

Inselhopping

Von der grünen Hauptinsel „hüpften“ wir am Tag darauf rüber auf eine der vorgelagerten Aran Inseln, die natürlich auch meinen Eltern nicht vorenthalten werden sollten. Diesmal ging es jedoch nicht zu der von Doolin aus nahesten Insel Inis Oírr, sondern zur größten und touristisch ausgebautesten der drei Inseln: Inis Mór bzw. anglisiert Inishmore. Viele Reisende, die nach Westirland kommen, besuchen ausschließlich die 14,5 km lange und 4 km breite Insel, deren Hauptattraktion eine steinerne, in schwindelerregender Höhe auf Klippen thronende Ringfestung ist – oder zumindest was davon übrig geblieben ist.

Nach der mehr als anderthalb-stündigen Überfahrt bei tollem Wetter mit der Fähre wurden wir von einem Mini-Bus abgeholt und zu den Sehenswürdigkeiten der Insel gefahren. Als erstes standen die Na Seacht dTeampaill, die Sieben Kirchen, eine alte aus mehreren Kirchenruinen, Klosterbauten und Hochkreuzen aus dem 8. oder 9. Jahrhundert bestehende Stätte auf dem Plan. Sie war jahrhundertelang eine der größten Klostersiedlungen und Pilgerzentren Westirlands. Sie konkurrierte übrigens mit der Siedlung von St. Enda, der Ausbildungsstätte des heiligen St. Ciaran, der daraufhin den Grundstein für Clonmacnoise im Herzen des Landes legte (mehr dazu im Blogbeitrag „Die irischen Midlands“). Eine der Grabtafeln mit der Aufschrift „7 Romans“ bekundet die ehemalige Berühmtheit dieser Klosterstätte, denn sie zog sogar Schüler aus dem imperialen Rom an.

Dann gab’s erstmal ein rustikales irisches Mittagessen in einer der wenigen Gasthäuser der Insel. Frisch gestärkt kraxelten wir im Anschluss einen langen, steinigen Weg hinauf zum bekanntesten der drei prähistorischen, mehr als 2000 Jahre alten Steinforts der Insel – Dún Aengus. Seine massiven Steinmauern reichen bis an die Kante der ca. 60m hohen Klippen. Die faszinierende Stätte wurde so belassen, wie sie ist. Keine Absperrung, kein Zaun verhindert hier, dass jemand hinunter in die tosenden Wellen des Atlantik fällt – nichts für Menschen mit Höhenangst! Von hier aus genießt man einen grandiosen Ausblick auf das Meer, das steinerne Eiland selbst und auf die umliegenden Aran Inseln. Obwohl dieser Ort im Sommer sehr überlaufen ist, lohnt sich der Aufstieg bei guter Sicht allein deswegen.

Mit dem Minibus wurden wir dann auch noch an anderen Sehenswürdigkeiten vorbei gefahren, aber an genaue Details kann ich mich nicht mehr erinnern. Auf jeden Fall hat Inis Mór noch einiges mehr zu bieten und man kann die Insel auch per Fahrrad erkunden und dort übernachten, z.B. bei Aran Glamping.

Nachmittags um 5 „hüpften“ wir dann wieder mit der Fähre zurück aufs irische Festland. Dort zeigte ich meinen Eltern noch den Pier von Doolin und wir ließen den Tag noch bei einem Whisky, bei dem wir mit irischen Urlaubern aus der Grafschaft Cork ins Gespräch kamen, ausklingen.

Ennistymon erkunden

Nach 2, 3 Tagen des Kränkelns konnte Falk den nächsten Tag nun doch wieder mitkommen. Heute sollten meine Eltern unseren Wohnort Ennistymon besser kennenlernen. Es war Samstag und so beschlossen wir, als erstes den kleinen Wochenmarkt zu besuchen. Bis auf ein paar wenige Stände und Buden mit regionalem Gemüse und Käse war heute jedoch nicht viel vorzufinden, wo morgen schon reges Treiben wegen des Viehmarkts auf den Straßen herrschen sollte. Trotzdem nahmen wir ein paar lokale Leckereien mit.

Als nächstes spazierten wir am Falls Hotel zu den spektakulären Kaskaden des Ortes, welche ihn schon damals berühmt machten (siehe einer unserer ersten Beiträge. Die Dürreperiode hatte jedoch bereits eingesetzt und es war nicht mehr so viel Wasser im Fluss wie sonst.

Um den Blick aufs Wasser nicht entsagen zu müssen, setzen wir uns zum Mittagessen in den Biergarten des Pot Duggans, einem relativ jungen Gastropub, der für seine Küche schon einige Auszeichnungen erhalten hat. Insbesondere der Guinness Chocolate Cake, den es als Dessert gab, hat diese Auszeichnungen allemal verdient! Leider rückten sie nicht mit dem Rezept raus… Im Schatten der Bäume am Fluss ließ es sich jedenfalls gut aushalten, zumal am anderen Ufer irgendwelche Hippies Gitarre spielten und sangen.

Das musikalische Unterhaltungsprogramm wurde am Abend fortgesetzt, als wir einen der belebtesten Pubs Ennistymons, den Cooley’s Pub, besuchten. Die Live-Musik und die Stimmung dort begeisterte nicht nur meine, sondern auch schon zuvor Falks Eltern sehr. Wir saßen gleich vorn bei den Musikern und durften uns Lieder wünschen. So wurden für uns neben Songwünschen wie „Galway Girl“ (natürlich das irische Lied und nicht das neue von Ed Sheeran) oder „Parting Glass“ auch ein lustiges irisches Volkslied über einen Deutschen, der nach Irland kam („German Clockwinder“), gesungen. Der Text lautet so:

A German clockwinder to Dublin once came
Engelbert Schnuck was the ole German’s name
and as he winded the way up the strand
he played on his flute and the music was grand

 

Singin‘ tu ra lumma tu ra loor a lumma tu ra lie a

 

A woman came out from Fitzwilliam’s square
she said her ol‘ clock was in need of repair
She invited him in and to her delight
in lees than five minutes, he had her clock right

 

Singin‘ tu ra lumma tu ra loor a lumma tu ra lie a

 

They sat down together, just takin‘ in stock
when all of the sudden, there came a loud knock
in walked her husband, and oh what a shock,
for to see the ol‘ German wind up his wife’s clock

Singin‘ tu ra lumma tu ra loor a lumma tu ra lie a

 

„Ah, wife Maryanne, ah wife Maryanne, “
„why did ya take in, such an innocent man?“
„For to wind up your clock, leave me on the shelf“
„If your ol‘ clock needs windin‘ sure I’ll wind it me’self!“

 

Live-Musik im Cooley’s Pub | Live Music in Cooley’s Pub

 

Galways Gassen

Am nächsten Tag sollte es in meine irische Lieblingsstadt gehen, doch gleich zu Beginn wurde uns der Weg versperrt. Der alljährliche Viehmarkt Ennistymons fand statt und zahlreiche Pferde und anderes Vieh wurde mitten auf der Straße begutachtet und sogar probegeritten. Dieser Anblick war einfach zu gut, noch nie hatten wir sowas gesehen. Da nahmen wir es gern in Kauf, eine Weile zu warten, bis es weiter ging.
Wir entschlossen uns dann den Landweg durch den Burren in Nord-Clare und an der Küste entlang zu nehmen, anstatt den schnellen Weg über die Autobahn zu fahren. So konnten wir unter anderem den atemberaubenden Ausblick vom Burren über Ballyvaughan bis zum Meer bestaunen und das Dungaire Castle besichtigen. Auch der Hafenort Kinvara, wo wir zu Mittag aßen, ging uns so nicht durch die Lappen.

Am frühen Abend erreichten wir dann endlich Galway, die „irischte“ Stadt Irlands, denn in keiner anderen soll man so viel Irisch in den Straßen, Geschäften und Pubs hören wie hier. Zudem sind ein Viertel der Einwohner Studenten und das macht sich bemerkbar. Die Stadt ist modern, unkonventionell und bietet neben vielen dicht aneinander gereihten Pubs und bunten Straßenzügen, in denen es nur so von Livemusik wimmelt, ein unschlagbares Unterhaltungsangebot für Jung und Alt. Da kann es auch schon mal vorkommen, dass das erste was man auf der Straße sieht, eine zum Teil in Frauenkleider gehüllte Männerband ist. 😉 Das ganze Jahr über ist die Stadt gut gefüllt und vor allem bei jüngeren Besuchern beliebt, so natürlich auch bei uns!

Wir versuchten also meine Eltern mit unserer Begeisterung anzustecken und führten sie in all unsere Lieblingsgegenden der Stadt. Nach der Hauptpromenade voller Livemusik und Menschen, in der wir uns überteuerte Getränke gönnten (ich möchte dabei nur an den Aperol Spritz für fast 20€ erinnern), spazierten wir gemütlich am Corrib River entlang. Wir folgten dem Flussweg bis zur Nuns Island, auf der die herrschaftliche Kathedrale Galways thront. Um den Abend feuchtfröhlich ausklingen zu lassen, besuchten wir noch zwei unserer liebsten Pubs – das an die Winkelgasse erinnernde O’Connells und das King’s Head, wo man jeden Abend hervorragende Live-Musik erleben kann. Einziger Leidtragender war Falk, denn er musste nüchtern bleiben, um uns alle am Abend wieder sicher nach Hause zu bringen.

Nach diesem langen Ausflug nutzten wir den nächsten Tag zum Ausspannen. Es war mit 30° Celsius der bisher wärmste Tag des Jahres und mit Sicherheit auch der wärmste Tag seit Jahren in ganz Irland. Während meine Mutter und Falk sich in Haus und Garten beschäftigten, fuhr ich mit meinem Vater an den Strand in Lahinch, um zum ersten Mal im noch eisig kalten Atlantik baden zu gehen. Es war so kalt, dass ich meine Füße schon nach wenigen Sekunden im Wasser nicht mehr spüren konnte. Echt schmerzhaft, aber es war so schön erfrischend und es machte Spaß den wilden Wellen auszuweichen, um nicht nasser als nötig zu werden. Während wir dort saßen und mit eisgekühlten Getränken anstießen, bemerkten wir, dass nicht weit weg von uns andere Deutsche saßen und so kamen wir mit ihnen ins Gespräch. Die netten Hessen waren heute zum ersten Mal hier und auch total begeistert. Die Flut kam mal wieder rasend schnell und so mussten wir alle schon bald vor dem kühlen Nass fliehen.

Anbaden in Lahinch | First swim in Lahinch

Cork & Umgebung auskundschaften

Am nächsten Tag wurde es sogar noch wärmer. Bei für irische Verhältnisse unglaubliche 32°Celsius fuhren wir die recht weite Strecke runter in die Grafschaft Cork, wo wir am Nachmittag in der Hafenstadt Cobh (gesprochen wie „cove“) ankamen. Als erstes besichtigten wir natürlich die unübersehbare, überdimensional große Kathedrale aus Granitstein. Nachdem wir eine Kerze in Andacht an unsere Liebsten angezündet hatten, spazierten wir zwischen den Dächern und bunten Häuschen Cobhs hinunter zur Hafenpromenade, wo auch die alte, letzte Anlegestelle der Titanic zu finden ist. Im Cobh Heritage Centre, das wie eine riesige, alte Bahnhofshalle gestaltet ist, wurden dann mit Shamrocks gespickte Souvenirs gekauft. Meine Mutter ließ es sich nicht nehmen, sich hier mit kostümierten Frauen aus der Zeit der Titanic fotografieren zu lassen.

Anschließend machten wir uns auf die Suche nach dem berühmtesten Cobh-Motiv. Nach einem nicht unanstrengenden Fußmarsch steile Straßen hinauf, fand Falk dank seiner Größe irgendwann den hinter einer hohen Steinmauer versteckten Anblick der bunten Reihenhäuser mit der Kathedrale und dem Meer im Hintergrund. Diese Häuserreihe wird auch Kartendeck oder auf Englisch „Deck of Cards“ genannt.

Jetzt aber schnell nach Midleton – dort sollte nämlich zum späten Nachmittag unsere bereits vorab gebuchte Führung durch die Jameson-Destillerie stattfinden. Während der aufschlussreichen und feucht-fröhlichen Tour erfuhren wir beispielsweise, dass irischer Whiskey in der Regel immer 3-fach destilliert wird, wogegen schottischer eine 2-fach und amerikanischer nur eine 1-fach Destillierung durchläuft. Das soll den irischen Whiskey zum reinsten und schmackhaftesten „Wasser des Lebens“ (auf Irisch „uisge beatha“) überhaupt machen. Um das zu testen, wurde eine Verkostung mit einigen Kandidaten aus unserer Gruppe mit 1-fach, 2-fach und 3-fach destillierten Whiskeys durchgeführt –  darunter auch Falk und mein Vater, dem allerdings alle Whiskeys sehr gut mundeten. Die Iren reifen den Großteil ihres Whiskeys nach der Destillierung mindestens drei Jahre lang in ehemaligen Bourbon-Fässern aus den USA. Die amerikanische Eiche macht den Whisky weich und mild und der frühere Bourbon verleiht dem Whiskey eine vanillige Honignote. Riechen tut der Jameson-Whiskey wirklich gut, nur geschmacklich ist das leider nichts für mich. Ich blieb bei einem Longdrink aus einem kleinen Schluck Jameson, viel Gingerale und Limette – lecker!

Interessante Randbemerkung: In Irland wird so viel Whiskey produziert, dass der Getreidebedarf nicht aus einheimischer Produktion gedeckt werden könnte, weshalb viel importiert wird.

Im Anschluss an die Führung fand noch eine ausgiebigere Verkostung mehrerer Jameson-Sorten statt, an der ich als einzig nicht teilnahm, denn ich war der Fahrer. Meine Eltern und Falk dagegen wurden in nur 20 Minuten mit vier reichlichen Whiskey-Proben druckbetankt und wankten dann selig aus dem Jameson-Gebäude.

Alkohol auf den nüchternen Magen ist nicht gut, deshalb ging es nach dem Einchecken in unsere Unterkunft für die Nacht direkt in die Corker Innenstadt. In einem urigen Gastro-Pub namens „Thomond“ füllten wir unsere Mägen, während wir irischer Live-Musik lauschten. Bei einem abendlichen Verdauungsspaziergang durch die mit modernen Laternen gesäumte Innenstadt Corks, begegneten wir Karl Marx und bestaunten alte Bauwerke.

Am Morgen danach zog es uns wieder in die Corker Innenstadt, genauer gesagt auf den English Market von Cork, einem gigantischen Markt für Lebensmittel aller Art. Auf sowas stehen meine Eltern total, deshalb verbrachten wir hier auch den gesamten Vormittag und ließen uns unter anderem vom Fischverkäufer mit Komiker-Potenzial unterhalten und beraten. Wir bummelten anschließend noch ein wenig durch die mit Menschen und Straßenmusikern gefüllten Gassen und hielten dann und wann für ein paar kleinere Einkäufe.

Unsere Mitbringsel vom English Market in Cork verspeisten wir dann zum Mittag in unserer nächsten Destination, dem Blarney Castle Garden. Es geht doch nichts über ein gemütliches Familien-Picknick bestehend aus frischen Zutaten. Frisch gestärkt ging es an die Erkundung des Blarney Castles und der großzügigen, wunderschön gestalteten Gartenanlage drum herum.

Das Blarney Schloss und seine rund 25 Hektar großen Gärten gehört zu den größten Besuchermagneten der Grafschaft Cork. Das hat es vor allem dem Blarney Stone oder auf Deutsch dem Stein der Beredsamkeit zu verdanken. Seit mehr als 200 Jahre pilgern Menschen, darunter sogar zahlreiche Staatsmänner und Literaturgiganten, hierher und steigen die 100 Stufen hinauf, um den Blarney Stein zu küssen. Ja richtig gehört, Jahr ein Jahr aus pressen Tausende von Menschen seit mehr als 2 Jahrhunderten ihre Lippen auf diesen in schwindelerregender Höhe hängenden und schwer erreichbaren Stein. Wieso nur? Nun, der Stein soll unbestreitbare Kräfte besitzen. Die Legende besagt, der Stein wurde früher als Orakelstein, ähnlich wie der sprechende Hut der Harry Potter-Geschichte, nur zur Auswahl von Königen verwendet. Später soll er auf das schottische Festland gebracht worden sein, wo er mit seinen prophetischen Kräften auch hier der Bestimmung der royalen Erbfolge als „Stone of Destiny“ (Schicksalsstein) diente. Als Cormac MacCarthy, König von Munster, im Jahr 1314 4000 seiner Männer nach Schottland sandte, um Robert de Bruce beim Bezwingen der Engländer zu helfen, wurde der Stein in Zwei gespalten und wieder zurück nach Blarney gebracht. Einige Jahre später soll eine vom Ertrinken gerettete Hexe den MacCarthys dann weitere magische Kräfte des Steins prophezeit haben:

„There is a stone there,
That whoever kisses,
Oh! He never misses
To grow eloquent.“

 

Wer auch immer diesen Stein küsst, soll die Gabe der Eloquenz, der Beredsamkeit bzw. der Sprachgewandheit erhalten. Wenigstens einer von uns – meine Mutter – war bereit, den höchstwahrscheinlich vor Keimen strotzenden Stein zu küssen, und sich dafür trotz Rückenproblemen weit nach hinten und unten lehnen zu müssen, während sie dabei von einem professionellen Menschenfixierer festgehalten wurde. Ob der Stein seine magischen Kräfte entfalten konnte, war leider nicht überprüfbar, weil meine Mutter schon vorher keine Probleme hatte, sich zu artikulieren. Hätte mal lieber Falk einen Kuss riskiert… Aber dafür hat er ja mich! 😛

Mal abgesehen vom Blarney Stone hat man von der Spitze des Blarney Castle einen hervorragenden Ausblick auf die weitläufige umgebende Parklandschaft, die sich aus blühenden Gärten, eindrucksvollen Alleen und zahlreichen Wasserwegen zusammensetzt. An die Erkundung der Blarney Gardens machten wir uns direkt im Anschluss. Wir kamen genau zur richtigen Zeit her, denn alles war schön grün und blühte herrlich.

Insgesamt verbrachten wir mehr als drei Stunden im Blarney Castles and Gardens. Das Areal ist so weitläufig, dass wir auch gut und gerne noch drei weitere Stunden hätten spazieren können, doch der Park schloss und wir wurden „rausgeschmissen“. Spätestens als sie das Wasser des kleinen Wasserfalls abstellten, wussten wir, es war Zeit zu gehen.

Jedoch nicht ohne einen letzten Halt am Steinkreis der „Seven Sisters“ einzulegen und uns für einen kurzen Augenblick à la Outlander in frühere Zeiten zurückversetzen zu lassen. Eine weitere Legende besagt, dass der frühere König von Munster sieben Töchter und zwei Söhne hatte. Eines Tages war es an der Zeit, gegen einen Rivalen in den Krieg zu ziehen, um das eigene Land zu verteidigen. Mit seinen beiden Söhnen an der Spitze zog er in den Kampf – seine Armee gewann, jedoch nicht ohne einen hohen Tribut zu zahlen. Seine beiden Söhne kamen auf dem Schlachtfeld ums Leben. Auf dem Rückweg marschierte die Armee an diesem alten Druiden-Steinkreis vorbei, der hier schon seit Jahrtausenden stehen soll. In seiner Trauer befahl der König seinen Männern zwei der neun Steine umzustoßen. Dies soll bis zum heutigen Tag an den Verlust seiner beiden Söhne erinnern, während ihre sieben Schwestern noch immer stehen…

Verzaubert von der Schönheit, Vielfalt und Historie des Blarney Castles und seiner Gärten fuhren wir am gleichen Abend zurück nach Hause in die Grafschaft Clare.

Klippen, Strände & Meer

Nachdem mein Vater und ich es bereits vor einigen Tagen gewagt hatten, das noch sehr kalte Wasser des Atlantischen Ozeans zu testen, trauten wir uns bei anhaltend heißen Temperaturen jetzt erstmals alle gemeinsam ins kühle Nass. Wo? Natürlich am altbekannten Lahinch Beach, wo die Flut den breiten, flach abfallenden Strand immer überraschend schnell verschwinden lässt. Weil wir das schon wussten, lagerten wir unsere Handtücher und Sachen lieber von Anfang an auf den Felsen, die auch als Wellenbrecher dienen.

Auch der nächste Tag führte uns wieder ans Meer. Nach einem ausgiebigen, selbstgekochten Irish Breakfast samt Hashbrowns, Black & White Pudding, Bohnen in Tomatensauce und vielem mehr, zeigten wir meinen Eltern die felsige Küste am White Strand nahe Miltown Malbay. Wildblumen übersäten hier gerade  die Landschaft farbenfroh.

Anschließend besuchten wir einen weiteren Strand, den Spanish Point Beach. Hier stürzten wir uns wieder in die kühlen Fluten und mein Vater baute einen Steinturm. In Stein verewigten wir auch unseren Aufenthalt hier.

Die Sonne verkroch sich allmählig hinter einer aufziehenden Regenfront, also beendeten wir den Badenachmittag und fuhren zu den Kilkee Cliffs bzw. zu verschiedenen Standpunkten in ihrer Nähe. Dabei orientierten wir uns an der Route, die wir bereits auf unserer ersten Tour entlang der Loop Head Halbinsel gefahren waren (siehe hier). Das dramatische Spiel von Regenwolken und von durch die Wolkendecke brechenden Sonnenstrahlen erhöhte den mystischen Anblick der Steilküste. Die wildromantische Kulisse begeisterte meine Eltern von Anfang an. Wir schienen mal wieder fast die einzigen hier zu sein und so konnten wir uns eine Menge Zeit lassen und in Ruhe die Aussichten genießen. Die Klippen von Kilkee sind eine dieser unberührt scheinenden Orte Irlands, an denen man einerseits die Ursprünglichkeit des Landes und andererseits wahre Freiheit noch so richtig spüren kann. Kein Wunder, dass meine Eltern diesen Ausflug als Höhepunkt ihres ersten Irland-Besuchs empfanden und unbedingt nochmal hierher zurückkommen wollten. Glückselig verließen wir die Kilkee Cliffs, als der Regen einzusetzen drohte, und ließen den Abend gemütlich vorm Kamin beim Kartenspielen ausklingen.

Den vorletzten Tag mit meinen Eltern ließen wir wieder ruhiger angehen. Wir blieben zuhause, meine Eltern packten und am Nachmittag unternahmen wir noch einen Spaziergang durch die Nachbarschaft. Dabei trafen wir auf zwei ganz süße, alte Hunde, die nur zu gern mit uns schmusten. Auch die Clouna Church, die Dorfkirche unweit von unserem Haus entfernt, besichtigten wir gemeinsam zum ersten Mal.

Am Abend bereitete meine Mutter für Falk einen deftigen Kasslerbraten zu. Er war voller Heißhunger auf gutes deutsches Essen. Da wussten wir noch nicht, dass wenig später unser einziger Nachbar vor der Tür stehen würde, um uns zum BBQ einzuladen. Den Abend verbrachten wir also feuchtfröhlich mit Dan und seiner Familie. Auch wenn hier zwei Kulturen aufeinander prallten und nicht jeder jedes Wort verstand, war es doch ein gelungener Abend voller Austausch.

Eine besondere Überraschung

Der Rückflug meiner Eltern ging erst am Abend von Kerry. Für unseren letzten Tag war also genügend Zeit, um noch eine andere Ecke von Irland zu erkunden. Dafür hatte ich mir etwas ganz Besonderes ausgedacht! Genau wie damals mit Falks Eltern nahmen wir erstmal die Fähre zwischen Killimer und Talbert, um nicht den weiten Umweg über Land fahren zu müssen. Dann fuhren wir auch mit meinen Eltern auf die Dingle Halbinsel und zu ihrer gleichnamigen „Hauptstadt“. Auf dem Weg dorthin erstreckten sich unglaublich grüne Wiesen, obwohl es so wenig geregnet hatte. Im Hintergrund sahen wir das Meer – was für ein Anblick!

Grüne Felder so weit das Auge reicht | Green fields as far as the eye can see

In Dingle angekommen, lüftete ich die geplante Überraschung: eine Bootsfahrt, auf der man Delfine beobachten kann! Genauer gesagt einen Delfin – den ortsansässigen, zahmen, aber wilden Delfin namens Fungie, der sich schon seit mehr als 25 Jahren in der Dingle Bay zu Hause fühlt. Fungie zeigt sich sogar so regelmäßig, dass es sogar Geld zurück gibt, wenn man ihn nicht zu Gesicht bekommt! Bei rund 60€ für uns Vier kein schlechtes Versprechen.
Als wir aus dem kleinen Hafen ausliefen, hatten wir nicht wirklich die Erwartungshaltung, dass wir ihn tatsächlich sehen würden. Wir genossen an diesem herrlichen Tag einfach erstmal den Ausblick auf die Bucht von Dingle und auf die bunte Kleinstadt, die sich immer weiter entfernte. Irgendwann am Ende der Bucht, wo es ins offene ungeschützte Meer übergeht, sammelten sich ein paar verschiedene Ausflugsboote und umkreisten einen überschaubaren Bereich auf der Suche nach Fungie. Er ließ auf sich warten und gerade als wir dachten, es geht zurück, taucht er plötzlich auf! Ganz dicht neben uns tauchte auf einmal seine Rückenflosse und daraufhin sein gesamter grauer Rücken auf. Immer wieder sprang er aus dem Wasser und die Leute auf unserem Boot freuten sich. Auch die anderen Boote wurden nun auf ihn aufmerksam und kamen näher. Umsäumt von Booten schwamm Fungie nun zwischen ihnen her. Hätte man es nicht besser gewusst, hätte man meinen können, er würde umzingelt und getrieben, aber das stimmt so nicht. Ob er nun wegen der guten Luft oder der vielen Aufmerksamkeit bleibt, eines ist sicher: Er ist freiwillig hier und will auch nirgendwo anders hin. Fungie ist Dauergast, seit er 1983 das erste Mal wortwörtlich hier aufgetaucht ist. Im geschützten Hafen von Dingle, wo Ortsansässige und Besucher ihn als Ehrenbürger behandeln, scheint es dem intelligenten Tier gerade wegen der vielen Aufmerksamkeit sehr zu gefallen. Dieser besondere Delfin hat eine eindrucksvolle Persönlichkeit und liebt es, sich zu zeigen – auch zu unserer Freude. Manchmal sprang er so hoch, dass wir ihn in Gänze bewundern konnten.
David Young, Journalist beim Irish Examiner, drückt es so aus: „Wenn man Fungie sieht, dann ist der Tag plötzlich einfach perfekt.“ Und genauso ist es! Ein eindrückliches und unvergessliches Erlebnis, am Ende des ersten Besuchs meiner Eltern in Irland. Noch ein Erinnerungsfoto an der Statue, welche die Einwohner der Stadt Fungie zu Ehren errichtet haben, und weiter ging es zum letzten Stopp vor dem Rückflug nach Deutschland.

Den wunderschönen weitläufigen Inch Beach wollten wir auch meinen Eltern nicht vorenthalten, gerade weil auch das Wetter super mitspielte. Ich schrieb unseren Familiennamen in den Sand und wir machten zum Abschluss ein paar schöne gemeinsame Fotos.

Der Abschied am Kerry Airport fiel uns allen sehr schwer. Kein Auge blieb dabei trocken. Erst Monate später, wenn es im Hochsommer auf einen von zwei Deutschlandbesuche gehen würde, sollten wir uns wiedersehen.

Bis dahin hatten wir noch eine Menge zu erkunden. Der Gedanke, zu zweit noch viele weitere Abenteuer im Land unserer Träume zu erleben, tröstete uns über den Abschiedsschmerz hinweg.

Temporäre Verewigung am Inch Beach, Co. Kerry | Temporary perpetuation at Inch Beach, Co. Kerry

 

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