Wer nach Irland reist, schaut sich oft nur die Küstenregionen an. Das Landesinnere, auch Mittelland oder auf Englisch „Midlands“ genannt, wird dabei nur zur Durchfahrt betreten. Das ist zwar einerseits verständlich, denn die irische Küste ist atemberaubend schön und spektakulär, aber das Mittelland Irlands hat ebenfalls einiges zu bieten – auch wenn es touristisch weitaus weniger erschlossen und ausgebaut ist. Das kann jedoch auch ein Vorteil sein, vor allem in den Hauptreisemonaten, in denen die Küstenregionen Irlands zumeist von Touristen überlaufen sind. Dann ist es im Landesinneren trotzdem noch schön ruhig und menschenleer. Auch wir nutzten diese Begebenheit, um in Ruhe einen Teil des irischen Mittellands zu erkunden.
Doch welche Counties gehören eigentlich zu den Midlands? Laut Reiseführer sind das Leitrim, Roscommon, Longford, Westmeath, Offaly sowie Laois („Liesch“ gesprochen). Ganz schön viele also!

Das verlorene Land der Heiligen und Gelehrten

Im Reiseführer lasen wir außerdem, dass die irischen Midlands idyllische Landschaften, stolze Herrenhäuser, archäologische Schätze und verschlafene Orte, deren Bewohner sich sehr über Urlauber freuen, bieten. All das und die Aussicht auf das Fehlen von Touristenbussen oder Souvenirständen lockte uns.
Die wohl berühmteste Sehenswürdigkeit des irischen Mittellands ist Clonmacnoise in der Grafschaft Offaly – angeblich Irlands älteste und schönste Klosterstätte. Diese stand also als erstes auf unserem Plan. Auf dem Weg dorthin hielten wir kurz an einem schönen See im Burren, dem kargen Kalksteingebiet in Nord-Clare – ihr erinnert euch? Falk holte seine Drohne raus und flog ein paar Runden.

Grünes Landesinnere vs. steiniger Burren | Green heartland vs. rocky Burren

Auf dem weiteren Weg Richtung Clonmacnoise passierten wir immer wieder alte Ruinen, Rundtürme und urige Friedhöfe. Saftig grüne Hügel flogen ununterbrochen an uns vorbei, während die Sonne strahlte und die Farben noch knalliger erschienen ließ.
Dort angekommen besuchten wir zunächst das Museum samt seiner audiovisuellen Vorführung. Wir lernten darin, dass sich an dieser Stelle einst die wichtigste Kreuzung des Landes befand, durch die der Fluss Shannon und die „Straße der Könige“ (Esker Riada) verlief. Der heilige Ciarán empfand die Lage im Herzen Irlands als so günstig, dass er hier 548 n.Chr. ein Kloster gründete, das später ausgebaut und zu einer beispiellosen Bastion des irischen Glaubens sowie der irischen Literatur und Kunst wurde. So kamen Mönche aus ganz Europa extra hierher, um zu studieren und zu beten. Ihnen verdankt Irland die Bezeichnung als „Land der Heiligen und Gelehrten“.
Die nach dem 12. Jahrhundert langsam verfallende Stätte wurde 1552 schließlich von englischen Truppen zerstört. Das was jedoch davon übrig geblieben ist bzw. nachgebildet werden konnte, kann sich sehen lassen! Mehrere erstaunlich gut erhaltene frühe Kirchen, Hochkreuze, Rundtürme und alte Gräber säumen die von einer Mauer umschlossene Klostersiedlung mit Blick auf den Shannon.

Besonders faszinierend fand ich die sagenumwobenen Geschichten über St. Ciarán, den Gründer von Clonmacnoise. Bereits in seinen jungen Jahren wurden ihm viele Wundertaten nachgesagt, die bereits zeigten, dass er heilig sein musste.
Eine von diesen Geschichten bezog sich direkt auf die Gründung von Clonmacnoise. Nach seinen erfolgreichen theologischen Studien bei dem prominenten St. Finnian of Clonard, dem spirituellen Vater der „Zwölf Apostel Irlands“, zog er weiter auf eine der Aran Inseln in der Grafschaft Galway, um dort 7 Jahre lang von einem weiteren großen Heiligen dieser Zeit, St. Enda von Inishmore, unterrichtet und schließlich zum Priester ausgebildet zu werden. Die Legende besagt, dass Ciarán hier die Vision eines großen, wundersamen Baumes erschien, der ausgehend von der Mitte Irlands so hoch und weit wuchs, dass er die komplette „Emerald Isle“ behütete. Sein Lehrer St. Enda realisierte, der Wunderbaum symbolisierte Ciarán selbst. Er solle ganz Irland mit seiner Heiligkeit und Gnade segnen und ein Mentor für viele werden. Und so soll St. Ciarán losgezogen sein, um sein eigenes Kloster im Zentrum Irlands zu gründen.
Bereits 7 Monate nach Gründung verstarb er, wahrscheinlich an der Pest. Doch das von ihm erbaute erste Klostergebäude bzw. das, was davon noch übrig geblieben ist, kann noch heute bewundert werden.

St. Ciaráns ehemaliges Klostergebäude | St. Ciaráns former monastery building

 

Die 7 Wunder von Fore

Die nächsten Punkte auf unserem Plan versprachen, nicht weniger wundersam zu sein. Nach einer weiteren Stunde Fahrt ins Landesinnere und einer kleinen Stärkung in der Provinzstadt Mullingar erreichten wir schließlich das Fore Valley, wo sich die „7 Wunder von Fore“ ereignet haben sollen. Das 630 n. Chr. vom heiligen Fechin gegründete Kloster außerhalb des Dorfes Fore bzw. die Gebäude, die später darauf errichtet wurden, sollen mit diesen „sieben Wundern“ in Verbindung stehen. Einigen davon, versuchten wir trotz plötzlich einsetzendem Regenguss auf die Schliche zu kommen…

1. Der heilige Fechin soll den 2,5 Tonnen schweren, steinernen Türsturz der St. Fechin’s Church allein durch die Kraft seiner Gedanken und Gebete in seine jetzige Position befördert haben.

St. Fechin’s Church

2. In einem kleinen Felsen in der Nähe der Kirche soll ein Einsiedler eine Zelle geschlagen und darin gelebt haben.

3. In der Nähe gibt es eine Quelle – die St. Fechin’s Well – aus der Wasser fließt, das niemals kochen soll. Zyniker sollten diese Behauptung lieber nicht nachprüfen, weil die Familie desjenigen, der es versucht, der ewigen Verdammnis anheimfalle.

4. Direkt bei der Quelle steht außerdem ein Baum, der angeblich niemals brennt. Die in ihn gedrückten Münzen und an ihn gehangenen Stoffreste sind lediglich Ausdruck eines modernen Aberglaubens.

Die Quelle mit dem Wasser, das niemals kocht, und der Baum, der niemals brennt | The well with water that never cooks and the tree that never burns

5. Direkt daneben stehen die Überreste einer Mühle ohne Graben.

6. Ein weiteres Wunder sei das bergauf fließende Wasser, das der heilige Fechin aufwärts in Richtung Mühle bewegt haben soll, indem er seinen Bischofsstab in 1,5km Entfernung an einen Stein schlug.

Überreste der Mühle ohne Graben und des Flusses, der bergauf fließt | Remains of the mill without ditch and the river flowing uphill

7. Das einige hundert Meter entfernte Benediktinerkloster namens Fore Abbey, auch „Monastery of the Quaking Scraw“ genannt, wurde im 13. Jahrhundert wundersamerweise auf dem einstigen Moorboden errichtet.

Zugegeben, diese sogenannten Wunder sind schwer zu überprüfen und wohl eher dem (Aber)glauben der Iren geschuldet 😉 Aber einigen wir uns darauf, dass dieses stimmungsvolle Tal mit oder ohne Wunder einen Abstecher wert ist.
Nach dem Erkunden von sechs der „sieben Wunder von Fore“ machten wir uns auf den doch recht langen Heimweg. Ein wunderschöner Sonnenuntergang, den wir wieder an dem See im Burren einfangen konnten, bildete den Abschluss für unseren ersten Tagestrip in die irischen Midlands. Weitere Ausflüge in das Herz Irlands sollten schon bald folgen…

Sonnenuntergang auf dem Heimweg | Sunset on the way home

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